Schmutzige Geschäfte: Kronospan
Wälder sind für uns überlebensnotwendig, da es kein besseres Mittel gegen die drohende Klima Katastrophe gibt. Sie kühlen unseren Planeten und reinigen unsere Luft. Zudem sind die Wälder auch die Heimat von unzähligen Tierarten. Holz ist aber auch einer der wichtigsten Rohstoffe weltweit und ein enorm bedeutsamer Wirtschaftsfaktor. Ein österreichischer Holzkonzern ist über die Jahre in manchen Bereichen sogar Weltmarktführer geworden.
Im Kapitel Holz des Lieferkettenatlas wollen wir am Beispiel der Familie Kaindl aus Salzburg und ihres Konzerns „Kronospan“ zeigen, wie problematisch die Lieferketten von multinational agierenden Konzernen ausgestaltet sein können. Dazu stützen wir uns auf umfangreiche eigene Recherchen sowie auf aktuelle Berichte von Partner*innen aus Tschechien, Kroatien und Rumänien.
Wir illustrieren dabei das undurchsichtige Unternehmensgeflecht und zeichnen Geldflüsse nach. Wir fassen die wichtigsten Vorwürfe zur Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards aus verschiedenen Ländern zusammen, in denen der Konzern aktiv war oder ist. Und wir zeigen die engen Verflechtungen zu Möbelriesen wie IKEA auf.
Die Familie Kaindl und ihre Aktivitäten
Nun möchten wir am Beispiel des Salzburger Holzverarbeiter „M Kaindl“ zeigen, wie aus einem Österreichischen Familienunternehmen ein international tätiger Konzernriese wurde. Und aufzeigen, wie toxisch die Aktivitäten der Holzgiganten in der Praxis aussehen.
Die Geschäfte des Konzerns Kronospan stützten sich auf globale Lieferketten und eine undurchsichtige Schachtelkonstruktionen aus verschiedenen Subunternehmen, Holdings, Aktiengesellschaften, Stiftungen und eine Bank – von Asien bis Amerika. Dahinter verbergen sich illegale Abholzung, grobe Umweltzerstörung, Pestizidvergiftungen und die systematische Vermeidung von Steuern.
Wie alles begann
Es begann alles recht beschaulich. Matthias Kaindl gründete sein erstes Sägewerk im Jahr 1897 in Lungötz, gelegen im Salzburger Lammertal. Ab 1948 wurde dort statt massiven Brettern vorwiegend Sperrholz für die Möbelindustrie produziert, damit konnte der unternehmerische Erfolg beträchtlich gesteigert werden. Bereits 1959 konnte expandiert werden, es folgte der Bau eines Spanplattenwerks in Salzburg.
Mit der Produktion dieser Spannplatten gelang dem Unternehmen der große Durchbruch, da zeitgleich im Möbelbau nicht mehr auf den Verbau von Massivholz, sondern auf die viel billigeren und leichteren Spanplatten gesetzt wurde.
Die Spaltung zwischen SWISS KRONO und KRONOSPAN
In den 1960er-Jahren wurde der väterliche Betrieb von den Söhnen Ernst und Matthias Kaindl übernommen. Im Jahr 1966 gründete Ernst Kaindl die Swiss Krono Group als Aktiengesellschaft für Holzindustrie in Menznau bei Luzern in der Schweiz. Mutmaßlich aus einem familiären Zerwürfnis heraus wurde 1987 die Familiengesellschaft der Kaindls dann aufgeteilt. Seither gibt es die „Krono Gruppe Schweiz“ unter Führung von Ernst Kaindls Tochter Ines Kaindl-Benes, sowie die „Kronospan Gruppe“, unter der Führung von Matthias Kaindl und dessen Sohn Peter.
Kronospan
Die Kronospan Gruppe konzentrierte sich fortan auf die kostengünstige Übernahme der staatlichen Sägewerke der ehemaligen DDR und dem Gebiet der Sowjetunion. Zu Schnäppchenpreisen wurden Werke in Polen, Ostdeutschland, Tschechien, Bulgarien, Slowakei, Russland, Rumänien, Kroatien, Ungarn, Ukraine und Serbien aufgekauft. Aber auch in Werke in Lettland, Dänemark, Belarus und Großbritannien werden bis heute Spanplatten im Akkord hergestellt. Zudem wird unter der Marke Kronochem auch Chemie für die Holzverarbeitung vertrieben.
Swiss Krono
Die Krono Gruppe Schweiz wurde nach der Spaltung zum Kern der Swiss Krono Group, die von Frankreich, Deutschland, Polen, Ungarn, der Ukraine, Russland, der Schweiz und den USA aus produziert und ihre Waren in 121 verschiedene Länder ausliefert. Verkauft werden Produkte wie Holz-Dekorplatten für den Möbel- und Innenausbau, Grobspanplatten und Laminatböden. Im Gegensatz zu Kronospan veröffentlicht Swiss Krono seine Umsätze, die im Geschäftsjahr 2018/2019 rund 2 Milliarden Schweizer Franken betragen haben sollen.
Doch trotz der Spaltung sind die verschiedenen Unternehmen zumindest durch die Verwandtschaft ihre Besitzer*innen und über das Salzburger Stammhaus, die M. Kaindl KG, immer noch in gewisser Weise miteinander verbunden. Ganz nachvollziehbar ist das jedoch nicht. Denn hinter unzähligen Subunternehmen in zig verschiedenen Ländern verbirgt sich eine komplexe Schachtelkonstruktion aus Aktiengesellschaften, Holdings, Stiftungen und einer eigenen Privatbank, die mögliche Verflechtungen verdeckt.
Im nachfolgenden wollen wir uns nun dem Kronospan-Konzern widmen, weil dieser nicht nur größer ist, sondern weil er intransparenter agiert und wesentlich mehr Verstöße dokumentiert sind, als das bei der „Swiss Krono“ der Fall ist. Dennoch möchten wir zuvor noch kurz einen Blick auf das Firmenkonstrukt dieses Schweizer Konzerns werfen, denn auch hier kann man die gewaltigen Dimensionen der Geschäftsaktivitäten gut nachvollziehen.
Kronospan, der unbekannte Weltmarktführer
Über Kronospan ist nicht viel bekannt. Das ist ungewöhnlich für ein Unternehmen, das Weltmarktführer ist. Der jährliche Umsatz wird auf rund 4 Milliarden Euro geschätzt, 14.000 Mitarbeiter*innen sollen beschäftigt werden. So wie die Mitglieder der Familie Kaindl, so bleibt auch die Beteiligungsstruktur in den Aktiengesellschaften und Holdings des Konzernriesen Kronospan so weit wie möglich im Verborgenen. Transparenz und Öffentlichkeit werden offenbar gezielt vermieden.
Auch unser Fragenkatalog wurde von Kronospan leider nicht beantwortet. Es springt jedoch sofort ins Auge, dass die Stiftungen und Eigentümergesellschaften, welche die diversen Subunternehmen der Konzernkette besitzen, allesamt in Ländern untergebracht sind, die mit besonders niedriger Besteuerung locken.
So ist Zypern nicht nur bekannt für seine niedrigen Steuern und lockeren Vorschriften für Konzerne, die selbst Briefkastenfirmen zulassen, sondern auch der Firmensitz der Kronospan Holding P.L.C. der Gesellschaft Banasio Investments Limite. Erstere, dessen Direkter Peter Kaindl sein soll, soll wiederum laut Addendum auch die Spanplattenwerke im Ost-Europa halten. Auch Spiros Spyrou, der als Finanzchef von Kronospan auftritt hat dort einen Posten.
Die zweite Gesellschaft soll mit dazu gedient haben, eine Bank auf Malta im ehemaligen Besitz der Raiffeisen International aufzukaufen. Denn laut österreichischen Firmenbuch war sie bis Jänner 2012 die alleinige Besitzerin dieser Bank, der East Centro Central Management SE (ECCM SE), die die Finanzierung der Kronospan Spanplattenwerke im Ost-Europa durchgeführt haben soll.
Die Banasio Investments Limite gehört offenbar der Luda Stiftung mit Sitz im nächsten Steuerparadies Lichtenstein, unter dem Bevollmächtigten Matthias Kaindl Junior, der auch im Direktorium der ECCM SE Bank auf Malta ist. Auch die Betuva Stiftung hat ihren Sitz im kleinen Fürstentum. Zu der Stiftung und ihrem offiziellen Zweck gibt allerdings keine öffentlich zugänglichen Informationen, im Stiftungsrat sitzt jedoch Spiros Spyrou, wir erinnern uns, dieser tritt als Finanzchef von Kronospan auf.
Und so verwundert es auch nicht wirklich, dass Kronospan in den sogenannten „Paradise Papers“ aufgetaucht ist. Diese sind eine Sammlung von geheimen Akten einer Anwaltskanzlei und eines Treuhandunternehmens, die 2016 geleaked wurden. In den Akten tauchten Tausende Milliardär*innen und Konzerne auf, die durch Geldwäsche und Verschleierung durch Schachtelkonstruktionen und Steuerparadiese im Großen Stil Steuern hinterzogen haben.
Wo Kronospan produziert
Kronospan lässt seine Produkte in 43 Werken in 23 Ländern herstellen. Allerdings befindet sich nicht ein einziges Werk in einem der Länder, in denen die Stiftungen und die Bank des Konzerns angesiedelt sind. Zwischen Produktion und Finanzverwaltung wird also sorgsam getrennt.
Drehe den Globus und klicke auf die Symbole, um mehr über die einzelnen Kronospan Subunternehmen zu erfahren.
Fast ebenso lang wie die Liste der Länder in denen Kronospan produziert, ist die Liste der Missstände die dem Konzern in diesen Ländern vorgeworfen werden. In Polen muss sich Kronospan für geheime Kartellabsprachen, Luftverschmutzung und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen verantworten.
Kronospan in Polen
Beginnen wir mit Polen. Hier musste sich Kronospan für geheime Kartellabsprachen, Luftverschmutzung und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen verantworten. Kronospan wurde nicht nur ein Bußgeld wegen illegaler Preisabsprachen auferlegt, es kam auch zu großen Protesten wegen Luftverschmutzung, einem Brand und einer vermeintlichen Facebook-Kampagne mit falschen Accounts. Zudem weigerte sich der Konzern eine Strafgebühr für eine fehlende Genehmigung für den Ausstoß von Schwermetallen wie Antimon, Arsen, Chrom, Kadmium, Kobalt, Mangan, Kupfer, Nickel, Blei, Quecksilber und Vanadium zu bezahlen.
Geheime Kartell-Absprachen
Fast vier Jahre lang wurden von den fünf Unternehmen Kronospan Szczecinek, Kronospan Mielec, Pfleiderer Group, Pfleiderer Wieruszów und Swiss Krono gemeinsam Preise festgelegt und vertrauliche Informationen ausgetauscht. Die Unternehmen, die drei großen Konzernen angehören, nahmen von Anfang 2008 bis September 2011 daran teil. Sie haben angeblich mündlich Preise vereinbart und vertrauliche Informationen ausgetauscht, beispielsweise den Zeitpunkt der Umsetzung von Erhöhungen und die Absatzmengen. Der Präsident des Amtes für Wettbewerb und Verbraucherschutz verhängte wegen der geheimen Absprachen Geldbußen in Höhe von mehr als 135 Millionen Złoty gegen die an der Verschwörung Beteiligten. Swiss Krono war das einzige Unternehmen, gegen das keine Geldbuße verhängt wurde. Das Unternehmen beschloss, die Kronzeugenregelung in Anspruch zu nehmen. (Quelle: Fakt – 28. Dezember 2017)
Missstände in anderen Ländern
Doch nicht nur in Polen sind zahlreiche Missstände dokumentiert, auch in Belarus, Großbritannien, der Ukraine, Bulgarien, Russland oder in Tschechien wurden zahlreiche Vorwürfe gegen den Konzern erhoben.
Wasservergiftung in Belarus
Laut Medienberichten soll Peter Kaindl soll engen Beziehungen zu dem Diktator und Staatsoberhaupt Lukaschenko unterhalten.
Lukaschenko hat Kronospan und das „ehrliche Geschäftsethos seines Führers“ häufig gelobt. Konzerne wie der von Peter Kaindl sollen laut Lukaschenko dazu beigetragen haben, „den aufstrebenden Ruf des Landes für wirtschaftliche Stabilität“ trotz der internationalen Kritik an seinem autoritärem Regime zu stärken.
Luftverschmutzung in anderen Ländern
Landraub, Umwelt und Korruption in Russland
Wo der Treibstoff für die Geschäfte von Kronospan herkommt
Nun wissen wir, wo die Wurzeln des Kronospan-Konzern liegen, wie er aufgebaut ist und wie er seine Geschäfte macht. Doch woher nimmt der Gigant eigentlich all das Holz? Und unter welchen Umständen wird das angebaut und geliefert? Wir widmen uns dem „Treibstoff“ von Kronospan und werfen einen Blick auf die aktuelle Lage der Wälder in Europa. Denn das verdeutlicht vielleicht noch einmal, wieso ihr Schutz so wichtig ist.
Illegaler Kahlschlag in Kroatien
Ein ideales Beispiel für die Herkunft von Holz zur weiteren Verarbeitung durch Unternehmen wie Kronospan ist das EU-Mitglied Kroatien. Unser Nachbar wurde erst vor kurzem durch Investigativ-Berichte und die Aufmerksamkeit des EU-Abgeordneten Thomas Waitz ins Licht gerückt. Es geht um Korruption, Umweltverstöße und den Missbrauch von EU-Geldern.
Über ein Drittel Kroatiens, das sind rund 2 Millionen Hektar, sind von Wäldern bedeckt. Etwa 95 Prozent davon sind weitgehend naturbelassene Mischwälder und mit rund 81 Prozent in staatlichem Besitz.
Doch erst im März 2021 hat ein Bericht der „Association of Veteransand Social Action (VIDRA)“ die Zerstörung der Wälder im kroatischen Vesna Grgic aufgezeigt. Als Ursache für den Kahlschlag großer Waldflächen werden Korruption und finanzielles und ökologisches Missmanagement in Naturparks und Natura 2000-Gebieten genannt. Mit verheerenden Folgen für das Ökosystem.
Angesichts all dieser Vorwürfe hat sich der EU-Abgeordnete Thomas Waitz vor Ort ein Bild gemacht und an die Europäische Kommission gewandt. Die europäischen Grünen fordern die EU-Kommission auf, die Schlupflöcher in der aktuellen Gesetzgebung zu schließen und die EU-Vorschriften in „Natura 2000“ den und anderen Schutzgebieten durchzusetzen.
Auch Kronospan betreibt eine Fabrik in Kroatien. Die Kronospan CRO d.o.o. Spanplattenfabrik in Bjelovar mit rund 200 Arbeiter*innen. Kronospan soll in 4 Jahren rund 100 Millionen Euro in die Bjelovar-Fabrik investiert haben. Die kroatische Tochtergesellschaft hat 2015 mit dem Bau einer zusätzlichen Halle und einer neuen Produktionslinie in Bjelovar begonnen. Dieses große Investitionsprojekt im Wert von 770 Millionen Kuna hat seinen Höhepunkt 2019 erreicht und wurde zur besten großen Produktionsinvestition in Kroatien erklärt. (Quelle: LIDER, 23.11.2019)
Vom Wald ins Kinderzimmer
Das führt uns zu unserer letzten Station: Dem Handel mit den schmutzigen Spanplatten. Am Beispiel von IKEA, dem milliardenschweren schwedischen Möbelriesen, möchten wir zeigen, wie der Kreis des Holzes sich schließt. Denn IKEA ist nicht nur weltgrößter Holzverbraucher, sondern auch Waldbesitzer und Möbelproduzent. Und natürlich auch einer der wichtigsten Abnehmer von Kronospan-Produkten.
Nicht nur in Polen kommt es zwischen IKEA und Kronospan zu Geschäftsbeziehungen, auch in Rumänien und Russland arbeiten der schwedische Möbelriese und der Spanplatten-Gigant zusammen. Allerdings nicht auf die Art, wie man es wohl vermuten würde. Denn IKEA kauft nicht nur Spanplatten von Kronospan, sondern Kronospan kauft auch das Holz von IKEA, dem größten privaten Waldbesitzer Rumäniens.
Gabriel Paun von Agent Green über IKEAs Umgang mit den Wäldern in Rumänien
Die von Agent Green überprüften Waldbewirtschaftungspläne von IKEA fördern aktiv die Abholzung alter Wälder, sogar in Schutzgebieten, in denen die Tiere auf diese alten Bäume angewiesen sind.
Am Beispiel des LÄTT-Kindermöbel kann man exemplarisch eine Lieferkette eines IKEA-Produkts nachvollziehen. Und damit beschließen wir auch die Reise in die Welt des Holzes.
Klicke auf die Symbole der Karte, um alle Stationen in der Lieferkette der LÄTT Kindermöbel kennen zu lernen!
Hier gibt das Dossier zum Thema zum Download
Das Kapitel Holz wurde mit Unterstützung der Grünen/EFA und dem Abgeordneten Thomas Waitz im Europäischen Parlament erstellt.
In Kooperation mit der Tschechischen NGO NEKRONO („Nein zu Kronospan!“).
In Kooperation mit der rumänischen NGO Agent Green.