Lkw – Rollende Lagerhallen
Nahezu alles was wir täglich essen, kaufen oder am Körper tragen, konnte nur bei uns landen, weil es zuvor mit einem Lastwagen an den Ort unserer Verfügbarkeit gebracht wurde. Aber nicht nur deswegen werden jährlich rund 14 Milliarden Tonnen an Gütern quer durch Europa gefahren – und laufend werden es mehr. Der Bedarf an Lkw Transporten ist trotz Klimakrise auch deswegen so enorm, weil in der Logistik auf die Minimierung der Lagerungskosten von Waren und auf eine kontinuierliche und schnelle Auslieferungen gesetzt wird.
Im Kapitel Lkw des Lieferkettenatlas zeigen wir, wie die rollenden Lkw-Kolonnen, ohne die keine Lieferkette auskommt, nicht nur unsere Autobahnen und Bundesstraßen verstopfen, sondern auch zu schwerwiegenden Schäden an Mensch und Umwelt führen. Gleichzeitig betreiben wir Ursachenforschung und suchen nach Lösungen.
Wir illustrieren dabei das engmaschige Geflecht an Handelsrouten, die Verschmutzung von Land und Luft und die Auswirkungen auf diejenigen, die die Lkw-bedingte Verkehrshölle an ihren Wohnorten ertragen müssen. Und wir zeigen, wie die Missstände bei den Arbeitsbedingungen der Fahrer*innen immer größer werden, während gleichzeitig in allen europäischen Ländern händeringend nach Personal zur Beförderung der Konsumgüter gesucht und der Mangel an Menschen, die die Lkw lenken möchten, immer größer wird.
Entwicklung Lkw-Verkehr in Österreich
75 Prozent aller Güter in Europa werde per Lkw transportiert. Bei verderblichen, sehr wertvollen und medizinischen Produkten, sollen es laut IRU, dem Weltverband des Straßentransportgewerbes, sogar 85 Prozent sein. Daten der Asfinag zeigen zudem, dass im Jahr 2022 in Österreich noch mehr Lkw unterwegs waren als vor der Covid-19 Pandemie. Das zeigten drei Viertel der Zählstellen der Asfinag entlang des österreichischen Autobahnnetzes.
Transportaufkommen im alpenquerenden Straßengüterverkehr
in Österreich 1980 – 2019
(in Millionen Nettotonnen)
Schon vor der Covid-Pandemie, im Jahr 2019, hat der Lkw-Verkehr auf Österreichs Autobahnen im Vergleich zum Jahr 2014 etwa doppelt so stark zugenommen wie das restliche Wirtschaftswachstum. Auf der Autobahn A1 bei Haid in Oberösterreich ist zwischen Montag und Freitag bereits jedes sechste Fahrzeug ein schwerer Lastkraftwagen, auf der Brennerautobahn sogar jedes fünfte Fahrzeug.
Diese kilometerlangen Lkw-Kolonnen kommen uns alle teuer zu stehen, denn sie verursachen neben zahlreichen Schäden auch sehr hohe Kosten. Die sogenannten „externen Kosten“ des Güterverkehrs summieren sich in der EU auf ganze 208 Milliarden Euro pro Jahr – 94 Prozent davon verursachen Lkw.
Neben der CO2 -Emissionen und der Luftverschmutzung, die rund ein Drittel dieser externen Kosten ausmachen, fällt der Großteil auf Lärm, Unfallkosten, Bodenversiegelung, Umweltzerstörung, Boden- wie Wasserverschmutzung und Staukosten.
Das österreichische Autobahnnetz
Klicken Sie auf die roten Symbole in der Karte, um mehr über das österreichische Autobahnnetz zu erfahren!
Wo in Österreich die meisten Lkw unterwegs sind
(Anzahl Kfz > 3,5 Tonnen im 1. Halbjahr 2022)
Das Bundesland, das am stärksten von den stinkenden Kolonnen betroffen ist, ist Oberösterreich.
Rund fünf Millionen Lkw wurden in den letzten beiden Jahren alleine auf dem Abschnitt der A1-Westautobahn bei Traun gezählt. Das sind sogar noch mehr als auf der so stark befahrenen Tiroler Brennerautobahn. Des weiteren sind in Oberösterreich auf der A8-Innkreis Autobahn bei Krenglbach rund vier Millionen und auf der A25-Welser Autobahn bei Marchtrenk rund 3,7 Millionen Lkw unterwegs gewesen.
Die soziale Lage der Lkw-Fahrer
Nun zu denjenigen, die die Lkws lenken, die alleine im Jahr 2021 rund 14 Milliarden Tonnen an Gütern quer durch Europa gefahren haben. Lkw-Fahrer*in ist ein ausgesprochen harter Beruf. Die Fahrer*innen sind extrem hohen Stress ausgesetzt, gesundheitlich stark belastet und mit einem hohen Unfallrisiko im Straßenverkehr konfrontiert. Sie werden inzwischen sehr schlecht für ihre Arbeit entlohnt und müssen für verspätete Lieferungen mitunter auch noch Strafen bezahlen, obwohl sie diese nicht selbst verschuldet haben.
Viele der Fahrer*innen, die vor allem aus Osteuropa und dem EU-Ausland stammen, sind Wochen oder sogar monatelang von ihren Familien getrennt und müssen quasi in ihren winzigen Fahrerkabinen wohnen. Teilwiese verlieren sie Stunden auf der Suche nach Parkplätzen um ihre Ruhezeiten einhalten zu können. Der Zugang zu kostenfreien Duschen und Waschmöglichkeiten ist stark eingeschränkt und ernähren müssen sie sich während ihrer tagelangen Fahrten vorwiegend von dem Junkfood, das bei Tankstellen und Autobahnraststätten angeboten wird.
Der Anteil am Transportaufkommen im Transitverkehr durch in Österreich registrierte Lastwägen liegt nur bei 1,6 Prozent. Männer aus dem Ausland werden gezielt ausgebeutet, um die Lieferketten für unsere Produkte zu erhalten. Die prekäre Lage der osteuropäischen LKW-Fahrer und ihrer Kollegen aus Nicht-EU-Staaten hat System. Sie transportieren Güter im Auftrag großer deutscher und westeuropäischer Logistikunternehmen und werden um den Mindestlohn betrogen. Löhne von nur 400 Euro monatlich, ohne Krankenversicherung, sind keine Ausnahme. Diese Erkenntnisse müssen die Politik auf nationaler wie europäischer Ebene dazu anregen sich für Änderungen einzusetzen.
Die Folgen der Lkw-Kolonnen
Die negativen Auswirkungen durch die Lastwägen auf unseren Straßen sind vielfältig. Luftverschmutzung, Bodenversiegelung, Lärmbelastung für die Anrainer*innen, die Abnützung der Straßen und dadurch verursachte Fahrbahnschäden, sowie eine erhöhte Unfallgefahr sind nur ein paar wenige Beispiele. Auch die Natur, Landwirtschaft, Tiere, Lenker*innen der Lkw, unsere Gesundheit und natürlich das Klima leiden massiv darunter. Eine Zusammenfassung zu den Folgen für Umwelt und Menschen findet sich in den beiden folgenden Slideshows.
Klima-Killer Lkw
Abseits der Covid-19-Pandemie kam es in Österreich in den letzten Jahren konstant zu einer deutlichen Überschreitung des Zielwertes beim Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen im Verkehrsbereich. Ohne die CO2- Emissionen aus dem nationalen Flugverkehr, betragen die Treibhausgas-Emissionen aus dem Verkehrssektor rund 24 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Damit ist der Straßenverkehr Österreichs größter Verursacher von Treibhausgas-Emissionen abseits der Industrie.
Entwicklung Emissionen aus dem Lkw – Verkehr
Seit 1990 haben die Emissionen im Luft-, Schienen- und insbesondere dem Straßenverkehr um 74,4 Prozent zugenommen.
In keinem anderem Sektor hat der Ausstoß von Emissionen derartig stark zugenommen. Und verantwortlich ist dafür vor allem der Anstieg der Fahrleistung im Straßenverkehr.
Denn pro 1.000 Tonnenkilometer verursachen 40-Tonnen-Lkw rund 20 Mal so viele Treibhausgase wie die Bahnen in Österreich.
Anteil der Sektoren an den gesamten Emissionen 2019
Neben dem Klima und der Umwelt, schadet der Lkw-Verkehr auch uns Menschen. Abseits des hohen Unfallrisikos, sind auch die negativen Effekte auf die Gesundheit enorm.
Tödliche Kolosse
Neben der Anzahl der Lkw auf unseren Straßen, steigt auch die Anzahl der Unfälle unter ihrer Beteiligung. Mit fatalen Folgen. Im Jahr 2021 wurde ein trauriger Rekord geschrieben, erstmals in den vergangenen 30 Jahren kam es zu so vielen Toten bei Unfällen mit Lastkraftwagen. 88 Menschen kamen dabei ums Leben, das entspricht 24 Prozent aller tödlich Verunglückten bei Unfällen im Straßenverkehr.
Im Jahr 2020 sind 51 Menschen unter Beteiligung von schweren Lkws ums Leben gekommen. Die Anzahl entsprach exakt jener aus dem Vorjahr. Doch obwohl während der Covid-19 Pandemie die Anzahl von Verkehrstoten insgesamt gesunkenen ist, ist der Anteil der tödlich Verunglückten unter Beteiligung von Lkw von 12 auf 15 Prozent gestiegen.
Doch Unfälle sind bei weitem nicht das Einzige, wodurch Lastwägen die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährden. Giftige Treibhausgase, Feinstaub und Lärm schädigen die menschlichen Organe, Nerven und das Immunsystem, machen krank und wirken teilweise sogar lebensbedrohlich.
Nachdem der Lkw-Verkehr auf unseren Straßen nun also für so viele Missstände verantwortlich ist und so viele Schäden anrichtet, stellt sich die Frage, wofür überhaupt dermaßen viele von ihnen unterwegs sind. Dieser Frage gehen wir als Nächstes nach.
Die Last in den Lastwägen
Von den Unmengen an Gütern, die über Österreichs Autobahnen und Bundesstraßen quer durchs ganze Land und auch in unsere Nachbarländer gekarrt werden, entfällt der größte Teil auf Baumaterialien. Konkret sind es knapp 140 Millionen Tonnen an Steinen, Erden, Bergbauerzeugnissen und Torf. Weitere rund 70 Millionen Tonnen bestehen aus sogenannten „sonstigen Mineralerzeugnissen“, also de facto auch diverses Gestein, Kies und Schutt.
Rund 43 Millionen Tonnen sind land- und forstwirtschaftliche Produkte, darunter auch Tiere, und rund 38 Millionen Tonnen an Nahrung- und Genussmitteln sind unterwegs. In die Kategorie mit dem geringsten Umfang von rund 32 Millionen Tonnen fallen Holzwaren, Papier/-waren und Datenträger.
Und leider fahren auch viele Lastwägen hunderte Kilometer durch Österreich ohne überhaupt vollständig beladen zu sein. Das trifft insbesondere auf leichte Lastwägen zu, die noch wesentlich schlechter ausgelastet sind als schwere Lkw. Obwohl die Anzahl der Paketsendungen stetig steigt, sind es gerade die Kurier-, Express- und Paketdienste, die dadurch besonders negativ auffallen.
Zunahme Paketsendungen von 2019 – 2020
Was auf Österreichs Straßen transportiert wird
Inlandsverkehr 2020 in 1000 Tonnen
Woher all die Lastwägen kommen
Seit Jahren ist Deutschland mit einem Warengewicht von knapp 27 Millionen Tonnen der mit Abstand wichtigste Absender für empfangene Güter in Österreich. Dementsprechend fahren auch die meisten Lkw von unserem großen Nachbarn zu uns. Die Lkw selbst, beziehungsweise die Transportunternehmen die sie losschicken, haben ihren Sitz allerdings meist in Osteuropa, obwohl wir von dort kaum Waren erhalten. Die Ursache dafür liegt wie oben beschrieben darin, dass (auch deutsche) Unternehmen in Osteuropa schlechtere Löhne zahlen können.
Von unserem südlichen Nachbarn Italien erhalten wir rund sieben Millionen Tonnen, aus Ungarn und Tschechien etwa sechs Millionen Tonnen, aus Slowenien knapp dreieinhalb und aus der Slowakei und Polen zwischen 2,1 und 2,7 Millionen Tonnen an Waren.
Transportaufkommen im grenzüberschreitenden Empfang im Straßengüterverkehr in Österreich 2020
Aber natürlich gibt es auch jede Menge Lastwägen auf unseren Straßen, die uns nicht beliefern, sondern einfach nur unser kleines Land in der Mitte Europas durchqueren. Wie viele Durchreisende es genau sind, lässt sich jedoch nur schätzen. Denn der Anteil am Transportaufkommen durch in Österreich registrierte Lastwägen liegt nur bei 1,6 Prozent. Welche Länder zum Durchzugsverkehr in Österreich beitragen kann auch nur bei unseren direkten Nachbarländern genauer abgeschätzt werden.
So lässt beispielsweise Italien rund zehn Millionen Tonnen an Waren über Österreich nach Deutschland fahren und weitere rund vier Millionen Tonnen nach Polen und knapp zwei Millionen Tonnen nach Tschechien. Deutschland lässt Waren mit einem Gewicht von rund neun Millionen Tonnen durch Österreich nach Italien fahren. Weitere 2,4 Millionen Tonnen nach Ungarn, 1,6 Millionen Tonnen nach Slowenien, 1,5 Millionen Tonnen nach Bulgarien und Rumänien, knapp eine Millionen Tonnen in die Schweiz und nach Liechtenstein, sowie 0,8 Millionen Tonnen nach Kroatien. Die osteuropäischen Staaten haben zusammen rund 24 Millionen Tonnen durch Österreich nach Italien oder Deutschland geschickt.
Das Kapitel Lkw – Rollende Lagerhallen wurde mit Unterstützung des Land Oberösterreich erstellt.